Finanzierung

Steigende Zinsen stellen Immobilienpreisboom infrage

Mit einem Kommentar von Michael Bachhofer Geschäftsführer

Die Immobilienpreise in Deutschland steigen weiter, und gleichzeitig gibt es dafür immer weniger gute Gründe. Ökonomen haben stets betont, dass vor allem die niedrigen Zinsen einer der wichtigsten Preistreiber seien – ungeachtet der tatsächlichen Nachfrage oder der wirtschaftlichen Lage. Dieses Argument scheint an Schlagkraft zu verlieren.

Nach einer längeren Stagnation Ende 2021 hat zum Jahreswechsel ein deutlicher Anstieg der Bauzinsen begonnen. Anfang Februar gab es nun einen regelrechten Sprung: Der Durchschnittszins für einen Zehn-Jahres-Baukredit stieg binnen weniger Tage von rund 1,2 auf 1,6 Prozent. „Die Schnelligkeit der Zinserhöhung beim Baugeld haben viele Expertinnen und Experten nicht erwartet“, sagt Mirjam Mohr, Interhyp-Vorstand für das Privatkundengeschäft.

Aus Sicht von Reiner Braun, Ökonom und Vorstand des Marktforschungsunternehmens Empirica, hat der Immobilienpreisboom damit keine echte, verlässliche Grundlage mehr. Der Experte veröffentlicht quartalsweise einen „Immobilien-Blasenindex“ und stellt darin die Kauf- oder Barwerte von Immobilien ins Verhältnis zur Realwirtschaft. Schon länger weist er dabei auf eine wachsende Kluft zwischen Kaufpreisen und Mieten hin. „Wenn Kaufpreise schneller steigen als Mieten, dann ist das zunächst und ganz generell durch fallende Zinsen gerechtfertigt“, sagt Braun. Zusätzlich gebe es lokale Besonderheiten bei Angebot und Nachfrage. „Wenn wir jetzt aber steigende Zinsen sehen, müssten gleichzeitig die Mieten deutlich steigen, um ebenfalls weiter steigende Kaufpreise beziehungsweise Immobilien-Barwerte zu rechtfertigen. Damit ist aber zurzeit nicht zu rechnen“, sagt Braun mit Hinweis auf nur langsam kletternde Einkommen und die relativ strenge Mietpreisregulierung.

Anders gesagt: Wer heute eine Eigentumswohnung zu einem sehr hohen Preis kauft, beispielsweise für das 30- oder 40-Fache der zu erwartenden Jahresmiete, geht ein wachsendes Risiko ein, wenn gleichzeitig die Zinsen steigen. Wenn noch politische Vorgaben hinzukommen, wie etwa eine Pflicht zur energetischen Sanierung, könnte das ernsthaften Druck auf die Preise ausüben, so der Empirica-Vorstand.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die jüngste Warnung der Bundesbank vor Übertreibungen bei den Immobilienpreisen zusätzliche Brisanz. „Die Überbewertungen bei Wohnimmobilien nahmen zu“, schreibt die Bundesbank in ihrem Februar-Monatsbericht. „Gemäß aktuellen Schätzergebnissen lagen die Immobilienpreise in den Städten im Jahr 2021 zwischen 15 Prozent und 40 Prozent über dem Preis, der durch soziodemografische und wirtschaftliche Fundamentalfaktoren angezeigt ist.“ Im Jahr 2020 hatte die Spanne noch 15 bis 30 Prozent betragen. Die Bundesbank bezieht sich unter anderem auf Daten des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken, denen zufolge im vergangenen Jahr die Wohnungspreise um 11,3 (Vorjahr: 7,5) Prozent gestiegen seien.

Auch Finanzwächter beobachten den hiesigen Immobilienboom kritisch. Der Europäische Ausschusses für Systemrisiken mahnt, Deutschland müsse mehr tun, um die Preise einzudämmen. Die Finanzaufsicht BaFin hat den sogenannten antizyklischen Kapitalpuffer auf 0,75 Prozent von null angehoben, sodass Banken größere Krisenpolster bilden müssen. Zudem soll ein spezieller Systemrisikopuffer für Baukredite von zwei Prozent eingeführt werden.

Quelle

finanzen.net 03.05.2022

3 Min.
Lesedauer vor 3 Jahren veröffentlicht

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Die Zeit der zweistelligen Preissteigerungen ist bis auf weiteres vorbei. Eine stärkere Spreizung der Preise zwischen energetisch mäßigen und energetisch hochwertigen Immobilien dürfte bereits in den letzten Jahren begonnen haben. Von extremen Preisen in einzelnen Großstädten und Lagen abgesehen sollte aber der bestehende Anlagedruck dafür sorgen, dass Preisrückgänge kaum zu beobachten sein werden. Anleger mit großen Beträgen werden von Negativzinsen ebenso tangiert wie von der sprunghaft gestiegenen Inflation. Ihnen bleibt mittelfristig kaum viel anderes übrig, als eben doch mit Bedacht – weiter in Immobilien zu investieren und in den ersten Jahren eine nur mäßige Rendite zu realisieren.

Die Zinsen sind (Referenzzins 10 Jahre) von 0,13 % Anfang Dezember auf 1,73 % per 02.05 in 5 Monaten „explodiert“, die Inflation liegt nun über 7 %. Beide Entwicklungen dürften sowohl was die Geschwindigkeit als auch das Ausmaß angeht, sich so nicht fortsetzen. Bis die Inflation mit Zeitversatz auch die (Wohnungs-) Mieten wieder sukzessive steigen lässt, die Zinssätze sich etwas über dem aktuellen Niveau einpendeln und sich die alte Regel beweist: Immobilien sind – durch dann wieder moderat steigende Preise – eine Inflationsabsicherung.

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Michael Bachhofer Geschäftsführer

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