Nach einer längeren Stagnation Ende 2021 hat zum Jahreswechsel ein deutlicher Anstieg der Bauzinsen begonnen. Anfang Februar gab es nun einen regelrechten Sprung: Der Durchschnittszins für einen Zehn-Jahres-Baukredit stieg binnen weniger Tage von rund 1,2 auf 1,6 Prozent. „Die Schnelligkeit der Zinserhöhung beim Baugeld haben viele Expertinnen und Experten nicht erwartet“, sagt Mirjam Mohr, Interhyp-Vorstand für das Privatkundengeschäft.
Aus Sicht von Reiner Braun, Ökonom und Vorstand des Marktforschungsunternehmens Empirica, hat der Immobilienpreisboom damit keine echte, verlässliche Grundlage mehr. Der Experte veröffentlicht quartalsweise einen „Immobilien-Blasenindex“ und stellt darin die Kauf- oder Barwerte von Immobilien ins Verhältnis zur Realwirtschaft. Schon länger weist er dabei auf eine wachsende Kluft zwischen Kaufpreisen und Mieten hin. „Wenn Kaufpreise schneller steigen als Mieten, dann ist das zunächst und ganz generell durch fallende Zinsen gerechtfertigt“, sagt Braun. Zusätzlich gebe es lokale Besonderheiten bei Angebot und Nachfrage. „Wenn wir jetzt aber steigende Zinsen sehen, müssten gleichzeitig die Mieten deutlich steigen, um ebenfalls weiter steigende Kaufpreise beziehungsweise Immobilien-Barwerte zu rechtfertigen. Damit ist aber zurzeit nicht zu rechnen“, sagt Braun mit Hinweis auf nur langsam kletternde Einkommen und die relativ strenge Mietpreisregulierung.
Anders gesagt: Wer heute eine Eigentumswohnung zu einem sehr hohen Preis kauft, beispielsweise für das 30- oder 40-Fache der zu erwartenden Jahresmiete, geht ein wachsendes Risiko ein, wenn gleichzeitig die Zinsen steigen. Wenn noch politische Vorgaben hinzukommen, wie etwa eine Pflicht zur energetischen Sanierung, könnte das ernsthaften Druck auf die Preise ausüben, so der Empirica-Vorstand.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die jüngste Warnung der Bundesbank vor Übertreibungen bei den Immobilienpreisen zusätzliche Brisanz. „Die Überbewertungen bei Wohnimmobilien nahmen zu“, schreibt die Bundesbank in ihrem Februar-Monatsbericht. „Gemäß aktuellen Schätzergebnissen lagen die Immobilienpreise in den Städten im Jahr 2021 zwischen 15 Prozent und 40 Prozent über dem Preis, der durch soziodemografische und wirtschaftliche Fundamentalfaktoren angezeigt ist.“ Im Jahr 2020 hatte die Spanne noch 15 bis 30 Prozent betragen. Die Bundesbank bezieht sich unter anderem auf Daten des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken, denen zufolge im vergangenen Jahr die Wohnungspreise um 11,3 (Vorjahr: 7,5) Prozent gestiegen seien.
Auch Finanzwächter beobachten den hiesigen Immobilienboom kritisch. Der Europäische Ausschusses für Systemrisiken mahnt, Deutschland müsse mehr tun, um die Preise einzudämmen. Die Finanzaufsicht BaFin hat den sogenannten antizyklischen Kapitalpuffer auf 0,75 Prozent von null angehoben, sodass Banken größere Krisenpolster bilden müssen. Zudem soll ein spezieller Systemrisikopuffer für Baukredite von zwei Prozent eingeführt werden.