Nach zwei Jahren Corona-Pandemie hat der Tech-Riese Apple seine Mitarbeiter in den USA wieder in die Büros zurückgeholt. Seit dem 11. April gilt Präsenzpflicht an einem Tag in der Woche. Ab dem 23. Mai soll auf drei Tage aufgestockt werden. In einem internen Schreiben, das von dem US-Technikportal „The Verge“ veröffentlicht wurde, nennt Apple-Chef Tim Cook den Schritt einen „lang erwarteten Meilenstein“. Für viele Mitarbeiter sei es ein „positives Zeichen“ wieder in die Büros zurückzukehren. Er wisse aber auch, dass der Schritt für einige andere eine beunruhigende Veränderung darstellen könnte.
Laut dem Schreiben sieht Apple das Hybrid-Modell als Pilot-Projekt. Man wolle die Vorteile aus dem Home Office mit denen der persönlichen Interaktion in den Büros kombinieren. Zuvor hatte das Unternehmen die Rückkehr in die Büros mehrere Male verschoben – überwiegend wegen der Corona-Pandemie. Laut dem Nachrichtenportal „Heise“ hat es aber auch massive Proteste innerhalb der Belegschaft gegeben. Mit der Rückkehr ins Büro reiht sich Apple in die Schlange mehrerer Tech-Konzerne ein, die auf hybride Arbeitsmodelle setzen. So hat einem Bericht des Nachrichtensenders CNBC zufolge auch Google Anfang April seine Mitarbeiter im Silicon Valley für drei Tage die Woche verpflichtend zurück an den Büroschreibtisch beordert. Software-Riese Microsoft hat die Türen der beiden US-Hauptsitze in Redmond und Seattle ebenfalls wieder geöffnet. Wie „Heise“ aber schreibt, werde hier niemand zur Rückkehr gezwungen.
Mehrheit der Arbeitnehmer wünscht sich hybrides Modell
Und auch in Deutschland stellen sich immer mehr Unternehmen die Frage, in welcher Art und Weise in Zukunft gearbeitet werden soll. Das Recht auf die Arbeit von zuhause ist Ende März ausgelaufen. Das hat Konsequenzen für die 19 Millionen Beschäftigten in Deutschland. Der Wunsch der Arbeitnehmer ist deutlich: Eine Umfrage des IT-Unternehmens Cisco mit dem Marktforscher Civey zeigt etwa, dass über drei Viertel der deutschen Arbeitnehmer weiterhin mindestens an einem Tag vom heimischen Schreibtisch aus arbeiten möchte. Nur 16 Prozent können sich vorstellen, wieder die ganze Woche ins Büro zu gehen. Ein Drittel der Deutschen rechnet allerdings damit, dass ihr Chef sie früher oder später wieder zur vollen Präsenz im Büro drängt. Dass es durchaus so kommen könnte, bestätigt eine Untersuchung des Branchenverbands Bitkom vom November vergangenen Jahres. Demnach wollen 45 Prozent der 600 befragten Unternehmen, die Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten, nach der Pandemie reduzieren, 27 Prozent wollen es künftig komplett verbieten.
Angestellte im Home Office arbeiten häufig länger
Arbeits- und Organisationspsychologe Hannes Zacher vermutet hinter diesen Zahlen ein stark ökonomisch geprägtes Menschenbild. „Manager glauben, dass Menschen von sich aus nicht motiviert sind, ihre Aufgaben zu erledigen und dass sie kontrolliert und mit Geld zur Arbeit motiviert werden müssen“, sagt er. Diese Annahme sei aber vielfach wissenschaftlich widerlegt. Dass Mitarbeiter am heimischen Schreibtisch weniger arbeiten, lasse sich empirisch nicht nachweisen. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall. „Menschen, die im Home Office arbeiten, leiden häufiger unter Schuldgefühlen und der Angst, den Erwartungen ihrer Führungskräfte nicht zu entsprechen“, sagt Zacher. „Deshalb arbeiten sie sogar häufig länger oder dehnen ihre Arbeitszeit in den Feierabend oder ins Wochenende aus.“
Mehr Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit
Unternehmen täten also gut daran, sich an großen Tech-Konzernen wie Apple oder Google zu orientieren und hybrides Arbeiten anzubieten – auch wenn sich im Silicon Valley einige Mitarbeiter dagegen sträuben. Denn Untersuchungen zeigen, dass ein hybrides Modell sowohl zur Zufriedenheit als auch zur Produktivität der Mitarbeiter beiträgt und Risiken reduziert, die entstehen, wenn jemand ausschließlich aus dem Home Office arbeitet. In einer Studie der Harvard Business School etwa kamen die Wirtschaftswissenschaftler Prithwiraj Choudhury und Tarun Khanna zu dem Ergebnis, dass Teams dann am besten arbeiten, wenn sie ein bis zwei Tage die Woche ins Büro kommen. So bekämen die Arbeitnehmer die Flexibilität, die sie bräuchten, schreiben die Autoren, seien auf der anderen Seite aber nicht isoliert.
Experiment zeigt: Maximal ein bis zwei Tage im Büro sind optimal
Für ihr Experiment hatten die beiden Wissenschaftler im Sommer 2020 an 35 Werktagen verteilt über neun Wochen die Arbeit von 130 Verwaltungsmitarbeitern in Bangladesch untersucht. Einige von ihnen verbrachten in diesem Zeitraum maximal acht Tage davon im Büro, die mittlere Gruppe war an bis zu 14 Tagen am Arbeitsplatz präsent. Die dritte Gruppe kam an 15 oder mehr Tagen ins Büro. Es zeigte sich, dass die Teilnehmer der zweiten Gruppe deutlich effektiver arbeiteten als die anderen Probanden. Sie schrieben und bekamen unter anderem mehr E-Mails als ihre Kollegen und steigerten messbar ihre Innovationskraft. Heruntergerechnet auf Arbeitstage pro Woche sind den Forschern zufolge also maximal ein bis zwei Tage im Büro optimal. Arbeitspsychologe Hannes Zacher kann einem hybriden Arbeitsmodell ebenfalls viel abgewinnen – auch wenn er der Meinung ist, dass generell eher wenige Tage Home Office pro Woche am geeignetsten sind. In mehreren früheren Studien habe man bereits feststellen können, dass hybride Arbeitszeitmodelle zu einer höheren Produktivität und Zufriedenheit unter Berufstätigen führen, sagt er. Basierend auf diesen Untersuchungen seien aber eher ein bis zwei Tage Home Office und nicht ein bis zwei Tage Büro empfehlenswert. Die Unterschiede kommen laut Zacher unter anderem daher, dass die Studie der Harvard Business School die Studienteilnehmer mit drei Gruppen nur relativ grob eingeteilt hat und dass das Empfangen und Schreiben von E-Mails nicht wirklich als Indikator für Produktivität gesehen werden kann.
Feste Team-Tage geben Struktur
Mitarbeiter komplett von zuhause aus arbeiten zu lassen, hält Zacher ebenso wenig für sinnvoll, wie sie fünf Tage die Woche ins Büro zu zwingen. „Die Zusammenarbeit im Büro ist wichtig für Aufgaben, die viel Kommunikation und Austausch von Ideen und Perspektiven erfordern, für kreative Prozesse, und um vertrauensvolle Gespräche zu führen“, sagt der Arbeitspsychologe. Das Home Office dagegen eigne sich für Aufgaben, die Ruhe und Konzentration erfordern – zumindest, solange die Gegebenheiten zuhause stimmen.
Damit die Zusammenarbeit im hybriden Modell funktioniert, empfiehlt Zacher Führungskräften feste Teamtage einzuführen, an denen alle im Büro sind und sich austauschen können. „In meinem Team sind das Dienstag und Mittwoch.“ Denn zu viel Autonomie könne einzelne Mitarbeiter oder auch das Team überfordern. Unternehmen, die sich hingegen weiter gegen hybride Modelle sperrten, könnten in Anbetracht des demografischen Wandels immer mehr Schwierigkeiten bekommen, gute Mitarbeiter zu finden, glaubt Zacher. Denn für viele sei eine hohe Flexibilität des Arbeitgebers mittlerweile Voraussetzung, damit sie einem Job zusagten. Weil sich viele Aufgaben von zuhause aus erledigen lassen, sei komplette Präsenzarbeit heute auch einfach nicht mehr zeitgemäß, sagt Zacher. Unternehmen müssten das erkennen und ihren Mitarbeitern vertrauen, statt sie überwachen zu wollen. Profitieren können dadurch beide Seiten.