Nachhaltigkeitsberichterstattung: Was bedeutet das eigentlich?
Bereits seit einigen Jahren hat das Thema Nachhaltgkeit die Unternehmensberichterstattung erreicht. Allerdings haben bisher vor allem sehr große Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte erstellt.
Unabhängig davon, ob diese gesetzlich verpflichtet sind oder freiwillig entsprechende Berichterstattungsstandards anwenden, wie z. B. die der Global Reporting Initiative (GRI) oder den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK), geht es bei Nachhaltigkeitsberichten vor allem um die drei klassischen ESG-Bereiche: Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance).
Auch die künftig verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (Corporate Sustainabiltiy Reporting Directive, CSRD) umfasst – zum Teil sehr weitreichende – Angaben aus diesen drei Bereichen.
Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die die CSRD konkretisieren und auch die Pflichten aus der EU-Taxonomie-Verordnung enthalten, bestehen aus Standards aus diesen drei Themenbereichen.
Neben Angaben zur Strategie und Zielen zu einzelnen Bereichen oder Angaben, sind in der Regel konkrete Key Performance Indicators (KPIs), wie die Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Lieferkette (sog. Scope-3-Emissionen) oder die Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau (sog. gender pay gap) anzugeben.
Und wieder ein Schwung unnötiger Bürokratie?!
Sicher, die Nachhaltigkeitsberichterstattung stellt für viele Unternehmen eine große Hürde dar. Sie ist jedoch ein wichtiges Puzzleteil im Rahmen des European Green Deal, das Kapitalgeber wie Investoren oder Banken befähigen soll, Kapital in nachhaltigere Engagements zu lenken und somit den Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft wesentlich zu gestalten (sog. Lenkungswirkung).
Da wundert es auch nicht, dass mit der CSRD die Nachhaltigkeitsberichterstattung der klassischen Finanzberichterstattung – bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang und Lagebericht – gleichwertig gegenübergestellt wird.
Die wesentlichen Änderungen – Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD und den ESRS
Die Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (Corporate Sustainabiltiy Reporting Directive, CSRD) gestaltet die Nachhaltigkeitsberichterstattung grundlegend neu.
Die wichtigsten Neuerungen umfassen:
- die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf weite Teile des Mittelstands.
- die Verortung des Nachhaltigkeitsberichts im Lageberichts (sog. integrierte Berichterstattung),
- die deutliche Ausweitung der inhaltlichen Anforderungen in Form der European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Notwendige Angaben betreffen die klassischen ESG-Themenbereiche Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance),
- die Prüfungspflicht der Nachhaltigkeitsberichte – zunächst mit „begrenzter Sicherheit“, später mit „hinreichender Sicherheit“ sowie
- die Offenlegung des Nachhaltigkeitsbereichts im sog. ESEF-Format (European Single Electronic Format) verbunden mit einer technischen Markierung (sog. Tagging) der Angaben.
Die größte Herausforderung stellt dabei wohl die Etablierung eines Nachhaltigkeitsberichtswesens dar, um den Anforderungen der ESRS zu genügen.
Bestandteile dieses Berichtswesens sind nicht nur die entsprechenden Systeme zur Erhebung und Verarbeitung der Daten und Informationen, sondern auch die Durchführung von unternehmensindividuellen Due Diligences und Wesentlichkeitsanalysen.
Mit der Ausweitung der inhaltlichen Anforderungen wird außerdem die Anwendung der EU-Taxonomie-Verordnung auch auf große Kapitalgesellschaften verbunden sein.
EU-Taxonomie – Was hat es damit auf sich?
Vielleicht kennen Sie den Begriff der „Taxonomie“ schon aus den Medien. Vor einiger Zeit wurde politisch kontrovers diskutiert, ob Strom aus Atomenergie oder aus Erdgas als nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie gelten sollte oder nicht.
Diese Diskussion bringt den Hauptregelungsinhalt der EU-Taxonomie-Verordnung auf den Punkt: Sie regelt, welche Wirtschaftsaktivitäten als (umweltbezogen) nachhaltig anzusehen sind.
In Anbetracht der Vielfalt an wirtschaftlichen Aktivitäten, Zweifelsfällen und Gestaltungen ist diese Qualifizierung freilich deutlich komplexer als die Kürze der Fragestellung vermuten lässt. Um den individuellen Beurteilungsspielraum – und damit auch Gefahren von Greenwashing – zu reduzieren, wird der Nachhaltigkeitsbegriff operationalisiert. Hierfür formuliert die EU-Taxonomie-Verordnung sechs Umweltziele:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresresourcen
- Übergang zur Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme
Die EU-Taxonomie belässt es nicht bei der Qualifizierung von Wirtschaftsaktivitäten, sondern führt neue Kennzahlen ein, die sog. Taxonomiequoten. Für die Umsatzerlöse, operativen Aufwendungen sowie Investitionen ist jeweils der nachhaltige Anteil anzugeben. Ab dem Geschäftsjahr 2025 werden diese Taxonomiequoten auch für große Kapitalgesellschaft zu ermitteln und anzugeben sein.
Die EU-Taxonomie regelt, welche Wirtschaftsaktivitäten als umweltbezogen nachhaltig gelten. Bei der Vielzahl an Wirtschaftsaktivitäten, wurde sich auf die Branchen beschränkt, die den wesentlichsten Beitrag zu dem jeweiligen Umweltziel leisten, also am meisten zur Minderung, Vermeidung oder Speicherung von Treibhausgasemissionen beitragen.
Das sind unter anderem die Branchen Forstwirtschaft, Verarbeitendes Gewerbe, Energie, Verkehr und Baugewerbe.
Dabei regelt die EU-Taxonomie einzig welche Wirtschaftsaktivitäten einen positiven Beitrag zu den Umweltzielen liefern.
Die Beurteilung läuft vereinfachend nach folgendem Schema ab:
- Die Wirtschaftsaktivität liefert einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines (oder mehrerer) der sechs definierten Umweltziele.
- Es wird kein anderes Umweltziel beeinträchtigt.
- Es wird der sogenannte Mindestschutz eingehalten.
Damit werden negative, nicht nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten nicht geregelt. Diese Tatsache birgt die Gefahr einer großen Missinterpretation. Erfüllt eine Wirtschaftsaktivität nicht die oben genannten Kriterien, gilt sie nicht als taxonomiekonform und damit auch nicht als nachhaltig. Dies lässt allerdings nicht den zunächst vermutbaren Umkehrschluss zu, dass die Wirtschaftsaktivität dann umweltschädlich wäre. Im Gegenteil – oftmals wird es schlicht an einer Regelung der Wirtschaftsaktivität mangeln. So ist der Handel von Photovoltaik-Modulen oder Elektrofahrzeugen eine sicherlich wünschenswerte Tätigkeit. Der Handel insgesamt wird jedoch nicht von der EU-Taxonomie geregelt, ist also nicht taxonomiefähig. Folglich können diese Aktivitäten per se nicht nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie sein – im Gegensatz zur Produktion dieser Gegenstände.
Sie sehen, in diesem Zusammenhang fallen die Begriffe der „Taxonomiefähigkeit“ und Taxonomiekonformität“. Deren richtige Verwendung ist wichtig für die richtige Interpretation der Nachhaltigkeitsinformationen. Ist eine Wirtschaftsaktivität nicht geregelt, ist sie nicht taxonomiefähig. Es ist also keine Aussage darüber möglich, ob die Wirtschaftsaktivität einen positiven oder negativen Beitrag zur Nachhaltigkeit liefert. Ist eine Wirtschaftsaktivität geregelt, erfüllt aber nicht die oben genannten Kriterien, ist sie zwar taxonomiefähig, aber nicht taxonomiekonform, also nicht positiv nachhaltig. Erfüllt sie dagegen die Kriterien, ist sie auch taxonomiekonform, liefert einen positiven Beitrag zu den definierten Zielen und gilt damit als nachhaltig. Eine Aussage über die Schädlichkeit von nicht taxonomiefähigen oder nicht taxonomiekonformen Tätigkeiten ist damit nicht verbunden.
ESRS – kurz vorgestellt
Die europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) sind der wesentliche Bestandteil der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie sind in der Form ein weltweites Alleinstellungsmerkmal der Europäischen Union. Entwickelt wurden die ESRS durch die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), die die EU-Kommission in Sachen Unternehmensberichterstattung unterstützt und berät.
Die ESRS bestehen aus insgesamt 12 Standards: zwei übergreifende Standards sowie zehn Themen-Standards, wobei fünf auf den Bereich Umwelt (Environment), vier auf den Bereich Soziales (Social) und ein Standard auf den Bereich Unternehmensführung (Governance) entfallen. Die übergreifenden Standards regeln Themen wie das grundsätzliche Berichtsformat oder Grundsätze wie die doppelte Wesentlichkeit.
Die fünf Umwelt-Standards beschäftigen sich nicht nur mit dem Ausstoß von Treibhausgasen:
- Klimawandel
- Umweltverschmutzung
- Wasser- und Meeresresourcen
- Biologische Vielfalt und Ökosysteme
- Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft
Die Sozial-Standards thematisieren das Folgende:
- Arbeitskräfte des Unternehmens
- Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette
- Betroffene Gemeinschaften
- Verbraucher und Endverbraucher
Der Governance-Standard beschäftigt sich mit der Unternehmensführung.
Zu den einzelnen Bereichen werden Angaben zur Governance, dem Zusammenspiel zur Unternehmensstrategie und dem Geschäftsmodell, dem Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen (sog. IRO-Management), was die wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte und die zugehörigen Konzepte und Maßnahmen einschließt, sowie letztlich zu den Zielen und Kennzahlen gefordert. Dabei sind die Konzepte, Maßnahmen und Ziele zentral und werden als „PAT“ bezeichnet (Policies, Actions and Targets). Beispiele für Kennzahlen sind die Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Lieferkette (sog. Scope-3-Emissionen) oder die Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau (sog. gender pay gap).
Insgesamt umfassen die ESRS über 1.100 Datenpunkte. Damit Unternehmen nicht all diese Daten erheben müssen, gibt es das zentrale Prinzip der doppelten Wesentlichkeit. Dies und weitere allgemeine Angaben erläutern wir im nachfolgenden Beitrag.